Ich war Ende 20. Irgendwann hatte ich mal gehört, dass es unseren Körper schlichtweg sprengen würde, würden wir den vollen Umfang der reinsten Liebe erfahren. Unsere Körper sind diesen hohen Schwingungen nicht gewachsen und würden schon mit sehr viel weniger Schmerzen erleben.
Ich besaß eine ungefähre Ahnung, doch gleichzeitig hatte ich keine Vorstellung davon, wieviel "viel" ist, und was "Schmerzen" an der Stelle bedeuten.
Aber ich war neugierig. Und ich wagte einen Selbstversuch.
Es kam der Tag, an dem alles passte. Ich war alleine zu Hause, ich war offen, ich war mutig und ich war im Frieden. Ich legte mich auf das Bett, atmete tief ein und erklärte mich schließlich innerlich bereit, zu erfahren, was es heißt, "unsere Körper könnten das wahre Ausmaß an Liebe nicht aushalten".
Ich öffnete meinen Herzraum, ich fühlte mich wohl und spürte, wie mir langsam warm im Herzen wurde. Es erfüllte mich ein Glücksgefühl und Dankbarkeit, dieses empfinden zu dürfen. Ich öffnete mich noch ein Stückchen mehr und die Tiefe der Dankbarkeit nahm zu. Ich bin wirklich gesegnet und ich wusste es. Noch ein Stückchen mehr. Ich bin gesegnet und ich weiss jetzt, wer ich bin. Ich fühlte Liebe für dieses ich, zärtliche, grenzenlose Liebe, die meine sonst so harschen Selbstabwertungen mit einem einzigen Blick einfach auflösten. Ich bin. Ich liebe. Ich bin in allem und alles ist in mir.
Ich öffnete mich weiter. Ich spürte, wie ich mein ich nicht mehr richtig wahrnahm, ich verschmolz mit dem Allem und das Universum wurde so groß... Es hatte eine Dimension, ein Sich-Anfühlen, das keine Worte kennt. Alles so weit, so dicht und leicht und so wissend. Ich erreichte einen Zustand, in dem ich plötzlich wie in einer Bibliothek alles einsehen konnte. Jede Frage war gleichzeitig die Antwort, es gab kein nacheinander mehr, alles passierte in Gleichzeit und ich fing an zu wissen, ohne denken zu müssen. Egal, wohin ich meine Aufmerksamkeit richtete, ich verstand in einer komplexen Tiefe, dass ich das Wesen der gesamten Zusammenhänge erfasste. Ich versuchte zwischendrin, mir zu merken, welche Einsichten sich auftaten, doch der Umfang des Wissens wuchs so schnell, dass es aussichtlos war.
Ich dehnte mich aus, die Bibliothek war wie ein einziges Buch und ich konnte alle Seiten gleichzeitig lesen. Ich sah, wie alles, das existiert, aus Liebe beschaffen ist, dass es nichts als Liebe gibt. Nichts! Und ich bin Teil davon, wie jeder Mensch, jedes Wesen und alles Existierende Teil davon ist. Es gibt nichts, das nicht Liebe ist, nicht mal das Böse, es ist alles aus einem einzigen Bewusstsein erschaffen. Liebe ist Bewusstsein. Es gibt keine Trennung, nur die Simulation von Trennung, in der sich das Bewusstsein selbst erfährt.
Ich dehnte mich immer weiter aus, mein Herz war wie an Starkstrom angeschlossen, es pulsierte immer schneller, feiner, auflösender. Und plötzlich kam der Punkt, an dem es das Quentchen zu viel wurde und ich einen einzigen Schmerz empfand, als würde es mir die Brust zerreissen.
Ich hieb sofort mit der Hand auf die Bettdecke und schrie "Spielstopp! SPIELSTOPP!!!", während es viel zu lange dauerte, bis die Ausdehnung sich langsam wieder zusammenzog. Ich lag keuchend und mit Schmerzen in der Brust auf dem Bett und dachte nur noch "Du heilige Sch... was war das war was?!" Lange liess ich nachflimmern, was ich alles gesehen, verstanden, erkannt hatte und je mehr ich zurück in meinen Körper fand, desto weniger konnte ich zusammenfassen, was ich erlebt hatte. Wenn ich solche Einblicke nehmen darf, während mein Körper es noch aushält, was ist dann jenseits des körperlich Erträglichen?
Was dann geschah
Tiefe Traurigkeit erfüllte mich, weil ich einen solchen Einblick in die wahre Wirklichkeit nehmen durfte und ich würde niemandem davon erzählen können. Mit welchen Worten? Von dem Tag an sehnte ich mich nach Menschen, die dasselbe erlebt haben, um mich mit ihnen mit-teilen zu können. Ich fing an, Bücher zu suchen, die mich mit dem verbanden, was ich als Wahrheit erkannt hatte.
Zur damaligen Zeit waren "spirituelle Erlebnisse" noch nicht salonfähig. Man verschwand schnell in einer Schublade, in der man auf sehr barsche Weise nicht mehr ernst genommen wird. Und davor hatte ich richtig Angst. Es war ja nicht das einzige Erlebnis, das ich haben durfte. Doch ich war zu feige, mich zu "outen" und stattdessen hoffte ich heimlich, auf Gleichgesinnte zu stoßen. Was natürlich nicht passiert, wenn man sich nicht zu erkennen gibt.
Nun ja, immerhin, knapp 20 Jahre später hat es dann geklappt mit dem Outen, ich habe mich über die Jahre Schritt für Schritt herangepirscht und fleißig weiter Erlebnisse gesammelt, die mich in meiner Wahrnehmung bestätigen.
Die Aussage, dass "Liebe zu groß sei, um sie mit unserem Körper halten zu können" habe ich für mich bestätigen können und das grenzenlos schöne Erlebnis ist mir als lebendige Erinnerung geblieben. Das Wissen darum, wie groß Liebe in Wirklichkeit ist, und dass die Wirklichkeit Liebe ist, sind mein Kompass durch die Zeiten geworden.
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